Der
plötzliche Tod seiner Mutter holt den Schriftsteller Charly von den
Füßen. Er fotografiert sie zunächst ohne Hintergedanken, um sich
später an diesem Bild abzuarbeiten. Mit einem Mal findet sich die
Leserin in einem Gespräch zwischen ihm und einem Therapeuten wieder.
Ist der Text ein Stück Trauerarbeit, obwohl das „ebenso
wenig bewirkt wie das Trauern eines Bäckers durch Brotbacken“? Der
Erzähler erweist sich als unzuverlässlich, wie das Erzählen an
sich. Ist die ganze Familiengeschichte nur gelogen? Sie führt zurück
in die herbe Jugend, in eine Aulandschaft, die heute im Staubereich
verschwunden ist. Kohl/Charly sind nicht willens, dem Dorfleben eine
falsche Idyllik abzugewinnen, nur weil jetzt alle das Landleben so
schön finden. Seit die Welt ein Dorf ist, gibt es das Dorf nicht
mehr. So wie die Mutter zu verschwinden droht, denkt Charly, wenn er
sich kein eigenes Bild von ihr macht; von einem „kleinen“, nicht
ganz siebzigjährigem Frauenleben, das in mittelalterlicher Armut
begann und in der Gegenwart verlischt.
Nach
„Spuren in der Haut“, in dem Kohl über das Leben seines Vaters
geschrieben hatte, wendet er sich – wieder ganz nahe an seiner
eigenen Biographie – der Mutter zu. Der Roman
ist mehr als eine Familiengeschichte; er fußt in der Gegenwart und
ist doch archaisch in seinem Kreisen um die großen Themen. Das „Bild
von Hilda als toter Mensch“ ist nicht nur die Klage des verlassenen
Sohnes, sondern eine Annährung an ein Leben, das „das Eigentliche
versäumt hat.“ Beim Begräbnis kommt die Wut: „Wer seid ihr,
dass ihr diese harmlose, sich bis zur Selbstaufgabe immer und überall
in den Hintergrund zurücknehmende Frau eine Sünderin nennt!, hatte
es getobt in Charly.“
Kohl
blutet beim Schreiben. Ein weiterer großer Text.
Walter
Kohl: Bild von Hilda als toter Mensch. Picus Verlag
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