Immobilien des Bösen
Das
Wirtschaftswunder lässt nicht nur die Nachkriegskörper zu dick für
die filigranen Möbel werden, sondern auch die Häuser wuchern:
Metastasierend wächst das Elternhaus, weil das Geschäft läuft und
der Wohlstand durch sinnloses Anschaffen ausgestellt gehört. Diekers
erinnerte Führung durch die kleinbürgerliche Innenarchitektur zeigt
Abgründe, etwa die cholerische Gewalt des Vaters, die Schwäche der
Mutter, das Eingesperrtwerden in der Besenkammer. Richtig Einparken
erzeugt „Schmalspurstolz“, und ach, die Fixierung der deutschen
Seele auf das Auto: Wie ein treuer Hund verreckt der BMW Tage nach
dem Tod seines Besitzers.
Die
Immobilien der Vorfahren spielen in der aktuellen Literatur eine
gewichtige Rolle. Daran knüpft sich die Ratlosigkeit, was mit diesen
Häusern anzufangen sei, und wohin die Dinge verschwinden. Dieker
führt in ihrem ersten Roman den neophilen Konsumterror der
Boom-Jahre vor. Man hat und zeigt, auch den neuen Zeitdruck. „Stress
kam in Mode.“ Vor lauter Heimeligkeit wird es immer unbehaglicher
im Haus.
Die ich-armen Sätze sind
kurz, oft nur ein Wort (und das kennt man nicht: Keder, Rüster,
Dralon), um die verstümmelte Sprache zu spiegeln. So wie der
Großvater „unsere STUKAS leisten ganze Arbeit … Zigeuner.
Charkov“ unter seine Nazi-Fotos schrieb, als „spärlichstes
Erzählen“. So wie der Vater, der „Explosionsautomat“, in
gewaltsamen Halbsätzen Ruhe herbeibrüllt. So wie der Text
quantitativ kaum ein Roman ist. Qualitativ sehr wohl.
Bea Dieker: Vaterhaus.
Roman. Jung und Jung, 112 S., 16,90 Euro
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